ÖH-Konzept: Ein flexibles Studium für alle

1. Oktober 2024

Weiterentwicklung zur Grundidee des Teilzeitstudiums

Überforderung und hoher Arbeitsaufwand im Studium, Prüfungsstress, finanzielle und psychische Probleme sind laut dem Mental-Health-Barometer 2023 die häufigsten Belastungsfaktoren von Studierenden in Österreich. Diese Realität ist alarmierend und zeigt ganz eindeutig, dass die derzeitigen Rahmenbedingungen die österreichischen Hochschulen zu keinem inklusiven Ort machen, an dem Menschen sorgenfrei studieren können.  81 Prozent der insgesamt 7936 befragten Studierenden gaben außerdem an, sich durch ihr Studium gestresst zu fühlen. Das zeigt ganz klaren Handlungsbedarf. Ein großer Faktor dabei ist die Schwierigkeit, das Studium mit anderen Verpflichtungen, wie einer Erwerbstätigkeit oder Betreuungspflichten zu vereinbaren. Die Realität ist daher, dass sehr viele Studierende nicht in einem von den Hochschulen erwarteten “Vollzeit” Ausmaß studieren (können), weil es nicht möglich ist, das mit ihrem Leben zu vereinbaren. Das zeigt, wie dringend notwendig dieses Konzept zur Vereinbarkeit im Studium ist, um Studierende nachhaltig und strukturell zu entlasten.

Die Gruppe an Studierenden, die nicht in einem “Vollzeit” Ausmaß studieren (können) ist sehr heterogen. Dieses Papier bildet die größten Gruppen davon ab: Es sind vor allem Studierende, die aus verschiedenen Gründen erwerbstätig sind, Studierende mit Betreuungs- und Unterhaltspflichten, Studierende mit Behinderung und/oder (chronischer) Krankheit und Studierende, die mehrere Studiengänge belegen. Das Ziel dieses Papers ist es, die soziale, psychische und allgemeine Lage von Studierenden zu verbessern. Dafür reicht keine einzelne isolierte Maßnahme, sondern es braucht ein flexibles und umfassendes Bündel an Maßnahmen, das zielgerichtet an die individuellen Bedürfnisse von Studierenden angepasst ist. 

Deshalb hat die ÖH im Rahmen dieses Projektes das IHS damit beauftragt, drei Fokusgruppen durchzuführen, die genau die Gruppen an Studierenden zu Wort kommen hat lassen, die Probleme mit der Vereinbarkeit von Studium und anderen Lebensbereichen haben und damit am meisten von Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit profitieren. Denn Betroffene selbst sind die Expert_innen der eigenen Umstände und wissen am besten, welche Veränderungen es benötigt, um die Umstände ihres Lebens mit ihrem Studium besser vereinbaren zu können. 

Aufbauend auf den Erkenntnissen der Fokusgruppen wurde klar, dass ein one-size fits all “Teilzeitstudium” weder bedürfnisorientiert oder flexibel ist, noch von vielen Betroffenen gewünscht ist. Viele Studierende wollen nicht ein vorgefertigtes Modell eines Teilzeitstudiums wählen müssen, sondern brauchen gezielte Maßnahmen, die auf ihre Lebensrealität zugeschnitten sind, da die Bedürfnisse von Studierenden sich im Laufe eines Studiums auch ändern können. Denn Leute studieren aus ganz unterschiedlichen Gründen in unterschiedlichen Ausmaßen. Ein_e Studierende_r mit Kind benötigt andere Unterstützungsmaßnahmen als eine Person, deren mehrere Studiengänge sich schwer miteinander vereinbaren lassen, oder eine Person, die aufgrund einer Behinderung und/oder (chronischer) Krankheit langsamer studiert. Zudem zeigen sich die Vereinbarungsschwierigkeiten nicht nur bei dem Versuch, Arbeit, Betreuung, Krankheit etc. und ein Studium gleichzeitig zu vereinbaren. Durch strukturelle Benachteiligungen (,wie Altersgrenzen bei Beihilfen und sonstigen ungünstigen Bestimmungen in Unterstützungssystemen,) bleiben gewisse Studierende aktuell oft unberücksichtigt bei der Vergabe von Beihilfen  und können gar kein Studium aufnehmen, weil sie durch ihre Vereinbarungsschwierigkeiten von einem (leistbaren) Hochschulzugang abgeschnitten werden. Und genau da setzt unser ÖH-Konzept zur besseren Vereinbarkeit an. Es braucht kein starres Teilzeitstudium, sondern eine Vielzahl an verzahnten Maßnahmen, die die Studienbedingungen für unterschiedliche Arten von Studierenden verbessern. 

Wir haben diverse Forderungen ausgearbeitet, die jeweils auf die Bedürfnisse der betroffenen Studierenden abgestimmt sind und das Ziel haben, die herrschenden Studienverhältnisse nachhaltig zu verändern. Die Hebel- und Verantwortungsbereiche  dazu sind vielfältig und bedürfen gesetzlicher Regelungen, aber auch Änderungen von Seiten der Hochschulverwaltungen und weiteren Stakeholder_innen. Unsere Forderungen nach einer besseren Vereinbarkeit von Studium mit der Lebensrealität vieler Studierender bestehen schon länger und wurden in diesem Papier gebündelt und umfassende politische Forderungen gestellt. Denn als ÖH kämpfen wir konsequent dafür, dass alle Menschen studieren können. Wichtig dabei zu erwähnen ist, dass dieses Konzept zur Vereinbarkeit im Studium sich dabei nachdrücklich nicht als Abkehr vom Ideal eines “Vollzeitstudiums” versteht. Unzureichende staatliche Unterstützungsleistungen sowie individuelle Umstände einzelner Student_innen machen deutlich: Aufgrund der momentan unzulänglichen Voraussetzungen für ein Vollzeitstudium muss dringlich ein Konzept angedacht werden, das der Studienrealität eines erheblichen Teils der Student_innen gerecht wird – zumindest bis die Bedingungen für ein Vollzeitstudium im Sinne der überwiegenden Mehrheit der Student_innen geschaffen sind. Klar ist aber auch, dass es immer Studierende geben wird, die trotz umfangreicher Unterstützungsmaßnahmen, nicht alle ihre Ressourcen für das Studium aufwenden können oder wollen. Deshalb braucht es flexible Studienbedingungen, die diese unterschiedlichen Realitäten auch abbilden. Als Österreichische Hochschüler_innenschaft ist es uns wichtig, dass Studierende eine echte Wahlfreiheit haben und alle Menschen in dem Ausmaß studieren können, das sie wollen und brauchen. Dazu braucht es ein realisierbares Vollzeitstudium für die Einen, aber auch eine machbare und gute Alternative für viele Andere.

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